Die Geschichte der Firma Holder
Über Jahrtausende hinweg haben die Menschen versucht, mit dem was sie gesät hatten
oder an Bäumen und Sträuchern wuchs, ihren Hunger zu stillen. Schweiß und Tränen
waren ständige Begleiter. Denn die Handarbeit war schwer und oft vernichteten
Pflanzenerkrankungen und Unwetter die Ernte.
Mit der Erfindung der Dampfmaschine im Jahre 1792 begann das technische Zeitalter,
in dem sich die Welt total veränderte. Immer mehr Menschen zogen in die Städte, um
dort in den neu entstandenen Fabriken Arbeit zu finden. Dies hatte zur Folge, dass nun
die auf dem Lande verbliebenen Bauern für die Ernährung der Städter sorgen mussten.
Mit Menschenkraft allein war das nicht mehr zu bewältigen. Mit der Zeit begann man
Pferde, Ochsen und Kühe als Zugtiere einzusetzen. Bei Wind und Wetter mussten
Mensch und Tier körperlich hart arbeiten um zusätzlich ca. drei Stadtbewohner mit
Nahrungsmitteln zu versorgen.
Mit dem Bau des ersten Traktors mit Verbrennungsmotor 1889 begann in der
Landwirtschaft eine neue Epoche. Die Bauern konnten immer größere Flächen
bearbeiten und dadurch immer mehr Menschen mit Grundnahrungsmitteln versorgen.
Kaum vorzustellen, wie sich die Agrarkultur ohne diese technischen Helfer entwickelt
hätte…
Christian Friedrich Holder, ein großer Pionier, ein Idealist, der mit der
Technik etwas anfangen konnte und diese weiter entwickelte und damit die
Meilensteine für die Zukunft setzte, errichtete 1888 zusammen mit seinem
Bruder Martin in Urach eine Werkstatt mit dem Namen „Gebrüder Holder“.
Die Vielfältigkeit ihrer Arbeit reichte von Reparaturen von landwirtschaftlichen Geräten,
Fahrrädern oder Nähmaschinen , über die Montage von Blitzableitern und Installation
von Molkerei-Einrichtungen bis hin zum Bau von Magnet-Apparaten und –Walzen.
Ab April 1889 führte Christian Friedrich Holder das Geschäft alleine weiter und
spezialisierte sich auf die Entwicklung und Herstellung von Magnetapparaten, deren
Nachfrage rasant anstieg. Auch Robert Bosch kaufte bei ihm Magnete, aus denen er
dann eine Zündanlage für ortsfeste Gasanlagen entwickelte. Nach kurzer Zeit war die
„Magnetfabrik Gebrüder Holder“ ein bekannter Begriff im Fachhandel.
Nach mehreren Gesprächen mit den Bauern der Umgebung und den Winzern in den
nahegelegenen Weinbergen um Reutlingen und Metzingen herum, kannte Christian
Friedrich Holder deren Sorgen und Nöte und den täglichen Kampf um die Existenz. So
wuchs sein Wille, der einheimischen Landwirtschaft zu helfen. Schließlich spezialisierte
er sich zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen und -Krankheiten auf die Herstellung
technischer Geräte im Bereich des chemischen Pflanzenschutzes. Unter dem Leitspruch
„Gesundes Wachstum – reiche Ernte – Holder hilft!“ tüftelte er jede freie Minute und
konnte 1898 die erste selbsttätige Rückenspritze der Öffentlichkeit präsentieren.
Diese Erfindung brachte nicht nur der Firma Holder Erfolge, sondern auch
Chemiefabriken und Labors erhielten dadurch einen enormen Aufschwung. Denn nun
galt es, für jede Pilzkrankheit und jedes Ungeziefer in geeignetes Mittel zu finden und
in größeren Mengen herzustellen.
Um 1900 wurden bei der Firma Holder mit 16
Mitarbeitern eine Menge Spritzen für den
deutschen Markt aber auch für den Export
hergestellt. Damit seine Firma ungehindert
expandieren konnte, erwarb Christian Friedrich
im Frühjahr 1902 in Metzingen eine ehemalige
Tuchfabrik, auf deren Gelände er auch sein
Wohnhaus einrichtete.
Christian Friedrich Holder
war mit Leib und Seele von früh bis spät in seiner Fabrik tätig.
Gedanken oder Ideen, die ihm über den Tag hinweg einfielen,
skizzierte er oft auf ein Stück Papier. So entstand wohl auch die
Idee des Holder-Staubsaugers, der im privaten Gebrauch von
seiner Frau Emma eingehend getestet wurde.
Auch seine vier Kinder Helene, Gertraud, Max und Lothar
lernten schon früh mitzuhelfen und Verantwortung zu
übernehmen und wurden bereits in die Arbeitsabläufe miteinbezogen. Besonders Max
hielt sich jede freie Minute in der Werkstatt auf und ging seinem Vater gerne zur Hand.
„Vater“ Holder legte sehr viel Wert auf die Qualität seiner Produkte. Mehrmals wurden
sie von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft geprüft und für ihre
hervorragenden Leistungen prämiert. Dies förderte nicht nur das Selbstbewusstsein des
Betriebes, sondern auch den Absatz im In- und Ausland. Denn diese Auszeichnungen
waren für die Bauern, Winzer und Gärtner eine verlässliche Bestätigung der Holder-
Qualität.
Mit dem Umsatz stieg auch die Zahl der Mitarbeiter von Jahr zu Jahr. 1913 zählte die
Belegschaft bereits über hundert Mitarbeiter. Rund ein Drittel der Produktion ging in die
verschiedensten Länder der Welt. Die ersten Verkaufsstellen wurden eingerichtet. 1908
entstand in Straßburg eine Zweigniederlassung mit erstem Kundendienst, denn
Zufriedenheit der Kunden war damals schon oberstes Gebot. Immer mehr Erzeuger der
Land- und Forstwirtschaft, des Wein-, Hopfen-, Obst- und Gemüsebaus entschieden
sich im Kampf gegen Krankheiten und Schädlinge für technische Hilfsmittel aus dem
Hause Holder. Der Name wuchs zu einem Garant für Qualität.
Während und nach der Zeit des Ersten Weltkrieges, als viele Firmen ihre zivile
Produktion einstellen mussten, lief bei Holder die Produktion ohne Einschränkungen
weiter. Christian Friedrich Holder ließ seinem Erfindergeist ungebremst freien Lauf.
Immer wieder reiften Modell zur Serienfertigung heran: 1924 Motor-Plungerpumpe mit
DKW-Motor, 1926 die Motorbaum- und Hopfenspritze, 1927 der Motor-
Pulverzerstäuber, 1929 der „Autofix“, die erste selbstfahrende Motorspritze mit zwei
Fahrgeschwindigkeiten.
So wie der Vater den Aufstieg seiner Firma plante, so dachte er auch schon damals an
die Nachfolge und achtete darauf, dass seine Söhne Max und Lothar von Anfang an
eine gute Ausbildung genossen. Nach seinem Studium an der technischen Hochschule
konstruierte Max Holder bereits seine erste motorangetriebene Hopfenspritze
selbstständig.
Beginn der Mechanisierung im Wein- und Obstbau
Der Bau von Traktoren der auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes führenden Firma
Holder aus Metzingen ging auf die Initiative von Max Holder zurück.
1929 wurde er von seinem Vater Christian Friedrich Holder auf die Reise
nach Amerika geschickt, um „in der Fremde möglichst viele Erfahrungen
zu sammeln“.
Während seines Aufenthaltes in Amerika lernte er die Arbeitsweise und
Gepflogenheiten des fremden Landes kennen. Er besuchte die Holder-
Vertretungen in Florida, Chicago und Kalifornien, die vor und nach dem
Ersten Weltkrieg eingerichtet wurden. Bei seinen Reisen erkannte Max
Holder, dass nicht nur Schädlingsbekämpfung, sondern auch bessere Bodenbearbeitung
zu reicheren Ernten führte. Er dachte an die kleinbäuerlichen Betriebe in der Heimat,
die hauptsächlich in Handarbeit oder vereinzelt auch mit Zugtieren den Boden mehr
schlecht als recht bearbeiteten, während hier schon Dampfpflüge und erste Traktoren
eingesetzt wurden. Jedoch war im deutschen Wein- und Obstbau der Einsatz dieser
großen schweren Maschinen wegen der beengten Struktur nicht möglich.
So wurde Max Holder durch seinen Aufenthalt in Amerika dazu inspiriert, einen unter
dem Namen „Pionier“ bekannt werdenden Einachstraktor zu entwerfen, dessen
Prototyp nach seiner Heimkehr bereits im Jahr 1929 fertiggestellt werden konnte. Mit
seiner Einzelradlenkung lief der Einachser beim Pflügen fast ganz alleine über den
Acker. Auch das Anhängen eines kleinen Wagens war möglich. Vater Holder freute sich
riesig über den Erfolg seines Sohnes und feierte diesen historischen Tag.
Doch die mangelnden Auftragseingänge trotz seines überzeugenden Arbeitseinsatzes
und den vielen Vorführungen waren auf die schlechte Lage der Bauern und Winzer
zurückzuführen, die kaum noch ihre Familie ernähren konnten. Doch gerade hier
musste Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn durch die mechanisierte
Bodenbearbeitung konnten reichere Ernten eingefahren werden.
So beschloss Max Holder, selbst für den Vertrieb verantwortlich zu sein und kümmerte
sich neben Entwicklung, Produktion und Ersatzteilversorgung auch um die Werbung
und Vorführungen seiner Geräte, bis sein Bruder Lothar ab 1934 den Verkauf
organisierte. Ebenfalls nach einer längeren Reise nach Amerika, ergriff Lothar Holder
die Initiative und nahm die nötige Umgestaltung des Betriebes vor. Die guten
Verkaufsergebnisse spiegelten sein eigenes Können, aber auch den Wert der
Konstruktionen wieder.